Wie eine Stahlbox die Weltwirtschaft veränderte

1 Dezember 2021
Wie können wir Ihnen helfen?

Die Hafenbetrieb veröffentlichte diesen Artikel im Jahr 2016, als der Container sein 50-jähriges Bestehen feierte.

Der Hafen von Rotterdam feiert 50 Jahre Containerumschlag. Wie eine einfache Box die Weltwirtschaft veränderte und der Rotterdamer Hafen zum Containerpionier wurde.

Container in einer Reihe

Wer schon einmal sein Auto für den Urlaub gepackt hat, weiß wie unpraktisch das sein kann. Sachen mit unterschiedlichen Abmessungen müssen mit viel Mühe in den Kofferraum gepuzzelt werden. Gerade wenn man meint, die richtige Einteilung gefunden zu haben, stellt man fest, dass das Zelt noch neben dem Auto liegt. Und dann geht alles wieder von vorne los…

So ähnlich sah das Laden und Löschen von Gütern vor 1966 aus. Einzelne Waren hatten verschiedene Formen und Abmessungen und Hafenarbeiter waren oftmals wochenlang damit beschäftigt, alles ordentlich in und aus dem Schiff zu laden. Der Amerikaner Malcolm McLean war der Ansicht, dass dies effizienter verlaufen würde, wenn auf der ganzen Welt jeder denselben Container benutzen würde. McLean entwarf also den Container, den wir immer noch benutzen: Eine Stahlbox von 40 ft oder 20 ft mit Klapptüren. Ganz einfach.

Er hat den Behälter entwickelt, den wir auch 50 Jahre später noch verwenden. Eine Stahlbox von 40 Fuß oder 20 Fuß, mit Flügeltüren. Die Stärke des Containers ist seine Standardisierung: Jeder Container hat weltweit die gleichen Eigenschaften, so dass er an seinen Ecken überall gehoben werden kann", sagt Bart Kuipers, Berater für Hafenpolitik an der Erasmus-Universität. Er nennt den Behälter "die Erfindung des Jahrhunderts". Die gesamte logistische Infrastruktur war auf diese Standardcontainer ausgerichtet: Seeschiffe, Kräne, Züge, Lastwagen und Binnenschiffe.

Bart Kuipers

Whisky wurde getrunken

Schon schnell war der Container aus der Logistik nicht mehr wegzudenken. Kuipers: „Die Stahlboxen führten zu einem enormen Produktivitätsgewinn im Transport. Alles ging viel schneller und kostengünstiger. Lagen Schiffe früher wochenlang am Kai, dauerte das Löschen und Laden auf einmal nur noch wenige Tage. Der Effekt auf die Weltwirtschaft war gigantisch.“ Laut The Economist hat der Container mehr zum Wachstum des Welthandels beigetragen als alle Handelsabkommen in den vergangenen fünfzig Jahren. Und es gab noch einen ganz besonderen Vorteil. Kuipers: „Früher konnte man Whisky nicht per Schiff transportieren, da die Hafenarbeiter einen Teil davon selbst trunken. Durch den Container hatten sie keinen Zugang zu der Ware mehr. Selbstverständlich gibt es auch Nachteile, wie Drogen, die oftmals in Containern versteckt werden.“

Der Rotterdamer Hafen setzte als einer der ersten Häfen weltweit auf den Containerumschlag. Einige Staubetriebe gründeten auf Initiative des Städtischen Hafenbetriebs Rotterdam den Europe Container Terminals (ECT). „ECT richtete sich komplett auf den Containerumschlag und entwickelte im Eemhafen den ersten spezialisierten Containerterminal“, erzählt Rob Bagchus, Chief Public Affairs & Public Relations Officer von ECT. “Dank dieser Entwicklung sowie zahlreicher weiterer Innovationen hatte der Rotterdamer Hafen einen Vorsprung vor anderen Häfen. Dank ECT ist Rotterdam ein großer Spieler im Containerumschlag geworden.“

Ab dann entwickelte sich der Containerumschlag in Rotterdam rasant. Containerladung wird gemessen in TEU (Twenty feet Equivalent Unit). Ein normaler, großer Container ist zwei TEU. Der kürzere, kleinere Container ist 1 TEU. Wurden 1968 noch 65,000 TEU umgeschlagen, 1974 waren es bereits mehr als eine Million. 2015 erreichte der Rotterdamer Hafen einen Containerumschlag von 12 Millionen TEU. Der Hafen wächst im Containerbereich immer weiter. So wurde auf Maasvlakte 2 eine neue Generation revolutionärer Containerterminals gebaut. Emile Hoogsteden, Direktor Container, Breakbulk & Logistics beim Hafenbetrieb Rotterdam: “Wir sind als Hafen sehr bemüht, den Unternehmen im Hafen die richtigen Standortbedingungen bieten zu können. Dadurch investieren sie in den Hafen und können wir neue Aktivitäten entwickeln.“

Infographic 50 jaar containers

Fünfter Exporteur der Welt

Hoogsteden: “Der Container führte dazu, dass man jedes Unterteil eines Produktes dort produzieren kann, wo die Kostenverhältnisse am besten sind. Mittlerweile werden unsere Kleidung und Gebrauchsgegenstände sowie unser Essen zu 90% per Schiff transportiert.“ Die Niederlande sind weltweit der fünfte Exportstaat, bemessen am Güterhandel - noch vor Frankreich, Süd-Korea und dem Vereinigten Königreich. Ein großer Teil des Handelsvolumens wird in Containern abgewickelt.

Weil die Schiffe immer größer wurden, nahmen die Transportkosten ab. 1970 machte der Seetransport noch 10% des Verkaufspreises aus. Heute ist dies nur noch 3%. Die Transportkosten sind am niedrigsten für kleine Produkte, wie beispielsweise Schuhe aus Asien. Es kostet etwa 60 Eurocent, ein Paar Schuhe nach Europa zu verschiffen. Bei einem Verkaufspreis von 110 Euro liegt der Anteil der Transportkosten bei 0,5%.

Bart Kuipers erläutert, welchen Einfluss der Container auf Asien hatte: “Weil wir heute viele Produkte aus Asien kostengünstig importieren können, wurden fünf bis sechs Millionen Menschen in Asien Teil des internationalen Produktionssystems und konnten Wohlstand erlangen.“ Der Welthandel erhöhte auch die Gesundheit vieler Menschen. Emile Hoogsteden: “Immer mehr Menschen haben Zugang zu den neuesten medizinischen Entwicklungen und Medikamenten.“ Auch der Unterricht profitiert vom Welthandel: Vor 25 Jahren ging nur die Hälfte aller Kinder in Afrika zur Grundschule. Heute sind es 75%.

Leercontainer

Klar, es gibt auch Nachteile. Der Transport per Seecontainer dauert oft länger als der Verbraucher will. Kuipers: “Der Transport eines Containers mit Kleidung dauert manchmal so lange, dass bei der Ankunft die Farbe nicht mehr modisch ist.“ Die Schiffe haben einen hohen CO2-Ausstoß und es werden viele Leercontainer über die Weltmeere verschifft. Kuipers: “Weil der Transport von Leercontainern weniger kostet als der Transport voller Container werden sie oft mit marginaler Ladung beladen.”

Der Container selbst hat sich in den letzten 50 Jahren kaum verändert, er wurde nur avancierter. Man hat heute Reefercontainer für temperaturempfindliche Güter. Es gibt Container, die eingeklappt werden können. Holland Container Innovations (HCI) entwickelte den ersten 40 ft einzuklappenden Container, der allen Bedingungen der Industrie entspricht. Kuipers: “Immer mehr Produkte, die traditionell per Flugzeug verfrachtet wurden, werden über See verschifft. Ein Beispiel sind Blumen. Auch Güter, die normalerweise mit Spezialschiffen befördert werden, werden immer öfter in Containern transportiert. Zum Beispiel Bananen.” Auch die Software-Anwendungen für den Containertransport nehmen zu. Etwa gibt es Software zur Identifizierung der Containernummer.

Was sich in den vergangenen 50 Jahren jedoch am meisten verändert hat, ist die ganze Infrastruktur rund um des Containers. “Keiner hat voraussehen können, dass die Schiffe einmal so groß werden“, so Kuipers. “Vor 20 Jahren behauptete ein Professor, es werde in Zukunft Schiffe mit 20.000 Containern geben. Man hielt ihn für verrückt.“

Die Entwicklung ist auch darauf zurückzuführen, dass der online Retail-Markt immer weiter wächst. Forrester Research prognostiziert ein Wachstum von 10% pro Jahr im online Retail-Bereich in Europa und den USA. Das Wachstum in Asien ist noch höher. Im Jahr 2020 könnte der online Retail-Markt in China denselben Umfang haben wie die Märkte in Frankreich, Japan, Deutschland, England und den USA zusammen.

Visionäre Unternehmer

Daher ist es wichtig, auf die Zukunft zu setzen. Emile Hoogsteden: “Wir beschäftigen uns permanent mit Innovationen und zukünftigen Entwicklungen. Man baut einen Hafen nicht für ein paar Jahre, sondern man muss Dezennien vorausplanen.” Kuipers: “Der Hafen war bisher sehr fortschrittlich. Anfang der 90er Jahre hat der Hafenbetrieb Rotterdam den Hafenplan 2010 veröffentlicht, in dem alles angekündigt wurde, was in den letzten Jahren erbaut wurde oder noch gebaut wird. Etwa die Maasvlakte 2 und der Blankenburgtunnel. Man hat dies alles schon vor 30 Jahren bedacht. Jetzt lebt unser Land von Containern. Es handelte sich um visionäre Unternehmer und Politiker, die das Potenzial des Containers frühzeitig erkannt haben. Echte Containerpioniere.“

ECT hat diese Entwicklung maßgeblich beeinflusst. Anfang der 90er bedachte, entwarf und entwickelte ECT das automatisierte Terminalkonzept. „Wir waren über Jahre hinweg der einzige Containeroperator weltweit, der mit so viel Innovationskraft menschliche Arbeit und Automatisierung vernetzte. Beispiele sind die Automated Guided Vehicles (AGV's) und Automated Stacking Cranes (ASC's),” sagt Rob Bagchus von ECT. Mittlerweile gibt es auf der Maasvlakte 2 die vollautomatisierten Terminals von RWG und APMT.

Die niederländische Hafeninfrastruktur wurde vom World Economic Forum bereits mehrmals zur besten Hafeninfrastruktur weltweit ausgerufen. Emile Hoogsteden: “Gute Infrastruktur ist essentiell für das Wachstum und die Entwicklung eines Hafens. Es wurden und werden Milliarden investiert in Projekte wie die Erweiterung des intermodalen Netzwerkes, den Bau der Maasvlakte 2, neue Kais, hochmoderne Terminals und ICT-Systeme. Neben der physischen Infrastruktur ist eine gute digitale Infrastruktur äußerst wichtig. Wir können die Logistikkette noch effizienter und zuverlässiger machen, indem wir sie transparent machen und Daten besser teilen. Darauf setzt der Rotterdamer Hafen.‘

Den Container wird es laut Kuipers auch in der Zukunft noch geben. “Er wird sich den neuen Entwicklungen anpassen. Wahrscheinlich wird es in Zukunft intelligente Container geben, die selbst wissen, wo sie hinmüssen. Verschwinden wird der Container aber nicht. Es ist wie bei der Erfindung des Rads: Man kann sich die Gesellschaft nicht mehr ohne vorstellen.“