„Im Hafen kann man echte Klimaknaller schaffen“
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Bei allem fragt er sich: Welche Auswirkungen hat meine Arbeit oder mein Handeln auf die Mitmenschen? Douwe van der Stroom verpflichtet sich zu mehr als nur einem klimaneutralen Hafen. „Neulich wurde ich gefragt: Douwe, wenn man alles ändern will, wo fängt man an?“
Douwe arbeitet als Programm-Manager Smart Energy & Industry bei der Port of Rotterdam Authority und ist hoch motiviert, die Welt zu einem besseren und gerechteren Ort zu machen. Er beschäftigt sich immer wieder mit dem Klima und versucht, zur Verbesserung beizutragen, wo er kann.
Er wuchs in Rotterdam in einer chancenreichen Familie auf. Zu Hause wurde ihm beigebracht, niemals vor der Verantwortung davonzulaufen. Gerade weil die Gleichaltrigen in der Nachbarschaft weit weniger Privilegien hatten. Und dieses Verantwortungsbewusstsein entwickelte er immer weiter. Während seiner Schulzeit auf dem Gymnasium hatte er die Möglichkeit, mit einem Stipendium die letzten beiden Jahre in Italien zu absolvieren. Zusammen mit Schülerinnen und Schülern aus über 100 verschiedenen Ländern besuchte er den Unterricht an der idealistisch geprägten Schule „United World College“. Diese internationale Schulgemeinschaft will kulturelle Unterschiede durch gemeinsame Bildung überbrücken, um internationalen Spannungen vorzubeugen, und vermittelt das Rüstzeug, etwas Positives zu bewirken. „Das hat wirklich alles in meinem Leben verändert.“
Aktivistische Seite
Ich möchte Positives bewirken und zu Lösungen für die großen Probleme unserer Zeit beitragen.“ Während seines Studiums kam er mit Leuten in Kontakt, die ihm vom Klimawandel erzählten. „In der Schule lernt man natürlich einiges über den Treibhauseffekt. Aber was ich dann über die Auswirkungen auf die Artenvielfalt, die zunehmende Intensität extremer Wetterereignisse und die Nahrungsmittel- und Wasserknappheit erfuhr, öffnete mir wirklich Augen und Ohren. Das hat mich dazu gebracht, meine aktivistische Seite zu entwickeln.“ Er lacht: „Ich war 18. Dann ist man auch ‚Feuer und Flamme‘ und will, dass von heute auf morgen alles anders wird.“ Schließlich belegte er ein Masterstudium in Innovationsforschung mit dem Schwerpunkt Klimawissenschaften. Seitdem hat er sich stets für die Energiewende eingesetzt, um den Klimawandel zu verlangsamen, und tut dies nun schon seit fast fünf Jahren in verschiedenen Rollen bei der Port of Rotterdam Authority.
Gegen den Strom
Douwe hat miterlebt, wie sich die Notwendigkeit des Wandels im Hafen in den letzten Jahren stark verändert hat: „Als ich anfing, herrschte dort wirklich noch eine andere Mentalität. Es ist ein komplexes System. Und es ist eine ziemliche Herausforderung, gegen den Strom zu schwimmen.“ Er erinnert sich an seine ersten Gespräche mit den Industrieunternehmen im Hafen. „Sie befassten sich zwar schon mit dem Thema Energiewende, aber das hatte keine Priorität. Jetzt lautet die Frage nicht mehr: Müssen wir umstellen? Sondern wann, wie schnell und mit wie viel Geld und wie viel Risiko können und wollen wir dabei in Kauf nehmen? In den letzten Jahren habe ich gelernt, dass Geduld und Entschlossenheit unerlässlich sind, um etwas zu bewirken.“ Trotzdem könne er in seiner Arbeit noch viel von seiner aktivistischen Seite zum Ausdruck bringen: „Ich trete gerne gegen heilige Kühe an. Daraus schöpfe ich auch Energie. Denn letztendlich kann man hier im Hafen echte Klimaknaller schaffen.“ Er sähe auch, dass seine Sicht der Dinge geschätzt würde: „Als Gegenpol.“ Er fügt hinzu: „Wir müssen auch harte Entscheidungen treffen. Und die Frage ist: Trauen wir uns das? Er beschreibt das Bild eines riesigen Supertankers, der seinen Kurs ändern soll. „Das ist eine enorme Herausforderung. Und schließlich bleibt es alles Menschenwerk. Das fasziniert mich am meisten.“
Digitalisierung als Schlüssel zur Nachhaltigkeit
Douwe arbeitet zurzeit daran, die Digitalisierung mit der Energiewende zu verknüpfen. „In den letzten Jahren haben wir gesehen, dass immer mehr Datenströme zur Verfügung stehen, die auch für die Energiewende sinnvoll genutzt werden können.“ Er sieht die Digitalisierung nicht als Selbstzweck, sondern als Mittel, um die Energie- und Rohstoffwende zu vollziehen. „Die Digitalisierung ist ein wichtiger Schlüssel zu einer nachhaltigen Zukunft, in der Technologie und grüne Energie Hand in Hand gehen.“ Für ihn sind intelligente Technologien die Wegbereiter für eine effizientere Nutzung von Energie und Rohstoffen. „Und sie können dabei helfen, Unternehmen miteinander zu verbinden.“ Er nennt ein Beispiel: „Angenommen, ein Unternehmen hat Restwärme übrig, die vielleicht ein anderes nutzen kann. Aber wie erfährt man dies? Man ist zwar integriert, denn die Unternehmen tauschen z. B. über Rohrleitungen Wärme aus, aber vielleicht noch nicht auf optimale Weise. Und dabei können Daten wirklich sehr helfen.“ Er führt weiter aus: „Obwohl die Datenzentren ebenfalls sehr viel Energie verbrauchen, sehen wir unter dem Strich, dass es zu weniger Energieverbrauch und damit zu weniger CO₂-Emissionen führt.“
„In den letzten Jahren haben wir gesehen, dass immer mehr Datenströme zur Verfügung stehen, die auch für die Energiewende sinnvoll genutzt werden können.“
Ein dickes Kabel statt zehn Strohhalme
Er nennt ein weiteres Beispiel für ein erfolgreiches Projekt: Netzbetreiber wie TenneT, Stedin und Gasunie haben enorme Aufgaben und müssen Milliarden in Kabel und Leitungen mit langen Genehmigungsverfahren investieren. „Ein Unternehmen im Hafen benötigt zum Beispiel eine bestimmte Anzahl an Megawatt. Einen Monat später bekommt dieser Netzbetreiber genau die gleiche Anfrage von einem anderen Unternehmen. Was dann passiert: Es werden parallel mehrere Pläne ausgearbeitet, um zehn Strohhalme nebeneinander zu verlegen. Und dabei wäre es doch viel einfacher gewesen, nur ein einziges dickes Kabel zu verlegen.“ Die Lösung? Das Data Safe House: eine sichere Umgebung, in der Netzbetreiber und Industrie standardisierte Informationen über ihre Produktion und ihren Energieverbrauch mit Netzbetreibern austauschen können, ohne das Risiko einzugehen, wettbewerbsrelevante Informationen preiszugeben. Die Initiative ging von der Port of Rotterdam Authority und Deltalinqs aus. „Das beschleunigt den Prozess, was supercool ist. Und das Tolle daran: Nach unserem Pilotprojekt wird das jetzt landesweit in allen Industrieclustern vom Ministerium für Klima und grünes Wachstum eingeführt.“
Er erwähnt, dass Unternehmen individuell schon gut optimiert seien, aber bei der gemeinsamen Optimierung gäbe es noch Raum für Verbesserungen. „Mit dem Übergang zu fossilfreien Energiequellen nimmt die Komplexität für Unternehmen zu. Sie können aus mehreren nachhaltigen Alternativen wählen, die alle in Bezug auf Verfügbarkeit und Preis variieren. Mit einer entsprechenden intelligenten Vorgehensweise kann man Angebot und Nachfrage untereinander und mit dem Markt viel besser koordinieren. So kann man Kosten und Energie sparen.“ Sein nächstes Projekt wendet ein solches intelligentes Energiemanagementsystem an. Die Port of Rotterdam Authority wird mit einigen Unternehmen im Botlek ein Pilotprojekt starten, bei dem die Unternehmen ihre Energieströme untereinander optimieren. „Dieses System arbeitet unternehmensübergreifend: Jetzt kann man etwas abschalten und etwas zuschalten. In unseren Vorstudien haben wir festgestellt, dass dadurch 5 bis 10 Prozent Energie eingespart werden kann, was zu geringeren CO₂-Emissionen und niedrigeren Kosten führt. Das ist irre, aber auch sehr spannend. Die Industrie steht unter Druck. Sie muss sich umstellen, darf aber nicht umfallen. Wir brauchen die Industrie in den Niederlanden, um unabhängig zu bleiben.“ Er hofft, dass er auf diese Weise auf ein nachhaltiges, zuverlässiges und wettbewerbsfähiges Energiesystem hinarbeiten kann.
Viele Tätigkeitsfelder
Zusätzlich zu seiner Position als Programm-Manager Smart Energy & Industry hat Douwe innerhalb der Port of Rotterdam Authority die sogenannte Taskforce Diversität und Inklusion mitbegründet. „Wir arbeiten an der Frage, wie man diese Vielfalt an Perspektiven an einen Tisch bekommt und ein inklusives Arbeitsumfeld schafft.“ Er erklärt die Notwendigkeit: „Wenn man einen anderen kulturellen Hintergrund hat, wenn man als Frau eine gewisse Ausgrenzung oder als schwuler Mann eine gewisse Diskriminierung erfahren hat, hat man ganz andere Lebenserfahrungen. Ein bestimmtes Bewusstsein zum Beispiel und oft eine starke Anpassungsfähigkeit.“ Und deshalb sei es wichtig, Diversität zusammen mit Inklusivität zu erreichen: „Ich glaube, das führt zu einer besseren Entscheidungsfindung, insbesondere bei einer Herausforderung wie der Energiewende, bei der es so viele unterschiedliche Interessen gibt. Aber vor allem wollen wir, dass sich jede Kollegin und jeder Kollege willkommen und gehört fühlt.“ Abgesehen von seiner Arbeit für die Port of Rotterdam Authority engagiert sich Douwe auch als Energie-Coach. Er hilft Menschen in Rotterdam-Süd dabei, ihre Häuser nachhaltiger zu gestalten. Und er ist für die politische Partei GroenLinks aktiv.
Werte als Basis
Um seine Aktivitäten durchzuziehen, ist Douwe vor allem der Meinung, dass es wichtig ist, nach bestimmten Werten zu leben. „Wenn man etwas aus den eigenen Werten heraus macht, lässt man sich nicht so leicht beeinflussen oder von seinem Kurs abbringen“. Er beschreibt seine eigenen Werte: „Gerechtigkeit, Nachhaltigkeit und auch Solidarität sind für mich echte Schlüsselbegriffe. Das mag sehr moralistisch klingen, aber ich bemühe mich, immer zu überlegen: Welche Auswirkungen hat meine Arbeit oder mein Handeln auf die Mitmenschen? Das gibt mir etwas, an dem ich mich festhalten kann.“ Mit diesen Werten möchte er für den Rest seiner Karriere und seines Lebens weiter zum allgemeinen Wohlergehen beitragen. „Mit dem Energie- und Rohstoffwandel im Rotterdamer Hafen kann ich also durchaus einen Beitrag leisten. Hier findet der Übergang wirklich von der PowerPoint-Präsentation bis zur Schaufel im Boden statt.“
DÜNUNG
In dieser Rubrik trifft man Menschen, die sich für intelligente und nachhaltige Lösungen im Hafen und für die Erde allgemein einsetzen. Lassen Sie sich von ihnen inspirieren und helfen sie mit, diese Lösungen umzusetzen.