Die DRIFT-Studie bietet dem Hafen von Rotterdam Anhaltspunkte für die Rohstoffwende
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Für eine CO2-neutrale Kreislaufgesellschaft sind andere Produktionsprozesse, nicht-fossile Rohstoffe und (seltene) Materialien entscheidend. Welche Rolle kann der Rotterdamer Hafen beim Rohstoffwandel spielen und welche Entscheidungen müssen dafür getroffen werden? Dies sind die zentralen Fragen einer kürzlich von DRIFT im Auftrag der Port of Rotterdam Authority durchgeführten Studie. Das Ergebnis dieser Zusammenarbeit ist in dem Bericht „The raw material transition for the Port of Rotterdam“ zusammengefasst.
Dieser Bericht fordert einen radikalen Wandel der Importströme und der Industrie im Hafen. Die Rohstoffwende ist eine Voraussetzung für den Erfolg der weltweiten Energiewende und für die Zukunft des Rotterdamer Hafens. Sie ist gleichzeitig der Auftakt zu einer Kreislaufwirtschaft, die sich noch in der Entwicklung befindet, aber entscheidend ist, um eine weitere Ausbeutung unseres Planeten zu verhindern. Außerdem trägt die Herstellung und das Recycling hierzulande zur strategischen Autonomie Europas bei. Die Studie kommt unter anderem zu dem Schluss, dass die Kreislaufwirtschaft mehr physischen Raum benötigt, um alle Rest- und Abfallströme zu sammeln, zu sortieren und zu neuen Produkten zu verarbeiten. Das bedeutet laut der Studie, dass über die Grenzen des heutigen Hafengebietes hinausgeschaut werden muss.
Prof. Dr. Ing. Jan Rotmans, Gründer von DRIFT: „Die Rohstoffwende ist entscheidend für die Energiewende, sowohl für die Welt, Europa, die Niederlande als auch für den Hafen von Rotterdam. Der Anteil der Kreislaufwirtschaft an der Realwirtschaft beträgt weltweit nach wie vor nur 7 %. Wenn der Hafen von Rotterdam zirkulär arbeiten will, wird mehr Platz benötigt, um alle Rest- und Abfallströme zu bewältigen. Dies erfordert klare Entscheidungen für die Zukunft.“
Boudewijn Siemons, CEO Port of Rotterdam Authority: „Die Energiewende nimmt allmählich Gestalt an, und nun ist es an der Zeit, die Rohstoffwende weiter voranzutreiben. Es gibt bereits vielversprechende Recycling-Aktivitäten und der Rotterdamer Hafen verfügt über den größten Biokraftstoff-Cluster Europas. In Rotterdam entstehen derzeit Bioraffinerien, die organische Rohstoffe und Reststoffe für die Produktion nutzen. Es ist notwendig, dies weiter auszubauen und zu verstärken. Deshalb entwickeln wir in diesem Jahr eine Rohstoffstrategie, für die diese Studie wertvolle Anhaltspunkte liefert.“
Import von Rohstoffen
Die Studie konzentriert sich auf drei Hauptproduktionsketten: kritische Rohstoffe, Chemikalien und Baumaterialien. Kritische Rohstoffe (critical raw materials) sind Substanzen, die heute in Europa oft in kleinen Mengen importiert und verwendet werden, aber für verschiedenste Technologien entscheidend sind. Für die Energiewende ist ein Vielfaches an Volumen erforderlich. Das europäische Gesetz zu kritischen Rohstoffen hat für 2030 Ziele für den Rohstoffanteil, der aus Europa stammen muss (10 %), in Europa verarbeitet (40 %) und recycelt (15 %) wird, festgelegt. Viele Rohstoffe müssen von anderen Kontinenten importiert werden, die nun oftmals noch andere Länder, insbesondere China, beliefern. In der Studie wird empfohlen, dass Rotterdam die Führung in der Rohstoffdiplomatie übernehmen und sich auf die bilaterale Zusammenarbeit konzentrieren sollte. Und es ist wichtig, dass sich noch mehr Unternehmen im Hafen oder in der direkten Umgebung niederlassen, die wichtige Rohstoffe recyceln und verarbeiten.
Neue Wertschöpfungsketten
Der Ausbau von Wirtschaftszweigen, die (Kunststoff-)Abfälle zu neuen Produkten verarbeiten, ist entscheidend. Die Rohstoffe in der Chemie basieren heute meist auf Erdöl und anderen fossilen Quellen. Das muss sich ändern. Es erfordert einen grundlegenden Systemwechsel und neue Wertschöpfungsketten für andere Rohstoffe. In der Studie wird empfohlen, im derzeitigen nordwesteuropäischen ‚Hinterland‘ ein Netzwerk und eine Infrastruktur zur Rückgewinnung von Materialien aufzubauen. Das bedeutet neue Ressourcen, wie z. B. Pyrolyseöl aus Altplastik.
Von fossil zu biobasiert
Das Bauen mit Beton und Stahl erfordert viel Energie und führt zu hohen CO2-Emissionen. Das Bauen mit biobasierten Materialien wie Holz ist eine gute Alternative. Es sind grundlegende Veränderungen in der Rohstoffkette erforderlich, von den Produktionsländern bis zur verarbeitenden Industrie. Rotterdam kann eine Rolle beim Import von Holz als Baumaterial spielen. Der Aufbau neuer Wertschöpfungsketten von Rohstoffen und Materialien erfordert Entscheidungen: Welche Aktivitäten sollen ausgebaut werden, welche werden verschwinden und was bedeutet das für bestehende Wertschöpfungsketten? Wie sollte der knappe Platz verteilt werden? Diese Studie liefert Anhaltspunkte für die Rohstoffstrategie, die derzeit von der Port of Rotterdam Authority entwickelt wird. Die Fertigstellung dieser Strategie ist für dieses Jahr geplant.