Zusammenarbeit in der Containerlieferkette zahlt sich zunehmend aus
Seit den Überlastungsproblemen an den Rotterdamer Deepsea-Terminals im Jahr 2017 wurde viel zur Verbesserung des Containertransports per Binnenschiff ins Hinterland und aus diesem heraus getan. Abgesehen von der Entwicklung einer integrierten Planung durch Nextlogic führen gemeinsame Liniendienste, die Bündelung von Transportmengen und ein Netzwerkkonzept zu mehr Stabilität in der Kette und zu einem zuverlässigeren Service für die Binnenschifffahrtskunden. „Lasst uns diese erfolgreichen Initiativen weiter ausbauen“, lassen der Binnenschifffahrtsektor und der Rotterdamer Hafen verlauten.
Containerlogistik bleibt trotzdem eine Herausforderung. In den vergangenen zwei Jahren wurde die Welt mit Entwicklungen konfrontiert, die niemand vorhersehen konnte. Die Corona-Pandemie und der Ukraine-Krieg haben zu massiven Erschütterungen in der Lieferkette geführt. Sowohl die Deepsea-Terminals als auch die Binnenterminals waren in den letzten Monaten wieder relativ stark mit Containern gefüllt. Seit kurzem sieht es so aus, als wenn die Terminals wieder etwas mehr Luft bekommen. Trotzdem bleibt es wichtig, den Güterstrom zu verbessern.
Aus Zusammenarbeit erwachsende Stärke
Die jüngsten Entwicklungen haben deutlich gemacht, wie wichtig die Binnenschifffahrt für die Versorgung der europäischen Verbraucher und der Industrie ist. Der Binnenschifffahrtssektor hat in den letzten Jahren viele Schritte zur Erhöhung seiner Zuverlässigkeit unternommen. Thijs van den Heuvel, Betriebsleiter des Combi Terminal Twente (CTT), betont die Stärke des Kollektivs: „Festgelegte Zeitfenster und Konzepte wie das Barge Transferium Maasvlakte (BTM - eine Zusammenarbeit von mehr als 20 Binnenterminals mit ECT) bringen Ruhe in die Kette und bieten Stabilität für Planer, Betreiber und Kunden. Heutzutage geht es nicht mehr ohne Partnerschaften. Das sieht man auch in der Luftfahrt: Auf Flughäfen werden Kollektivvereinbarungen abgeschlossen. Und zwar offen und transparent.“
Bus-System
Nach Aussage von Heiko Brückner sind die Bündelung von Containermengen und die Zusammenarbeit auch weiter im Hinterland wichtig, um den Binnenschifffahrtsverkehr effizienter zu machen. „Nur so können wir gemeinsam mit Deepsea-Terminals im Hafen intelligente Konzepte entwickeln", sagt Brückner, CEO von Haeger & Schmidt Logistics. „Binnenschiffe müssen wie Busse nach einem festen Fahrplan fahren, um zuverlässig zu sein. Andernfalls wählen die Kunden den Straßentransport. Wir müssen uns weiter in Richtung eines „Bussystems" mit voll beladenen Frachtkähnen entwickeln. Die Bündelung von Mengen auf großen Binnenschiffen erfordert auch Drehkreuze entlang des Rheins. Und dafür muss man einander gewinnen. Als Haeger & Schmidt Logistics haben wir gemeinsam mit EGS und Contargo den Korridor Container Allianz Niederrhein (CAN) zwischen den Binnenterminals in Emmerich und Neuss und den Deepsea-Terminals in Rotterdam eingerichtet. Dieses Korridor-Konzept funktioniert gut. Wir bemühen uns auch andernorts um Partnerschaften, wie zum Beispiel am Oberrhein (C3C) mit Danser und Ultra Brag."
Feste Vereinbarungen
BCTN, ein aus 11 Binnenterminals in den Niederlanden und Belgien bestehendes Netzwerk, hat seit 2018 Vereinbarungen mit den Rotterdamer Deepsea-Terminals über feste Zeitfenster getroffen. Das funktioniert laut CEO Joop Mijland gut. „Wir transportieren zirka 500.000 Container pro Jahr. Der Großteil dieser Menge wird innerhalb der festen Zeitfenster erledigt. Von unserem Konsolidierungsdrehkreuz in Alblasserdam aus fahren wir mit großen, voll beladenen Frachtkähnen zu den Deepsea-Terminals, anstatt eine durch den Rotterdamer Hafen führende „Abholtour" zu machen. Diese Schiffe können innerhalb eines einzigen festen Zeitfensters 250 bis 350 „Moves“ machen. Das ist genau das, was sich Deepsea-Terminals wünschen.“
Alle Rotterdamer Tiefsee-Terminals sind durch einen Linienverkehr mit einem der Terminals im BCTN-Netzwerk verbunden. Das Netzwerkkonzept und die Bündelung der Mengen haben sich in Alblasserdam als erfolgreich erwiesen. Mijland: “Alblasserdam ist für uns das letzte, nahe bei Rotterdam gelegene Terminal, wo wir Frachtkähne optimieren können. Das Terminal ist für Drittparteien geöffnet, die es auch zu nutzen wissen. Ein paar Rheinschifffahrtsunternehmen bündeln ihre Mengen sowohl in Nimwegen als auch in Alblasserdam, um so ihren Deepsea-Service zu verbessern.“
Nextlogic
Die Partner der Lieferkette haben sich auch zu mehr digitaler Zusammenarbeit verpflichtet. Über Nextlogic wird eine integrierte Planung für alle Besuche von Container-Binnenschiffen im Rotterdamer Hafen entwickelt. Ab Januar 2023 wird dies einem regelmäßigen Dienstleistungsverlauf sein. Zu Planungszwecken geben die Frachtkahn-Betreiber an Nextlogic vor jedem Besuch ihre Umlauf-, Besuchs- und Ladungsinformationen durch.
Die Containerterminals und in der nahen Zukunft auch die Leerdepots tun dasselbe im Hinblick auf ihre verfügbare Abfertigungskapazität. Auf dieser Grundlage erstellt Nextlogic für alle den optimalen Zeitplan, der sich alle fünfzehn Minuten dynamisch an die aktuelle Situation anpasst und dabei beispielsweise feste Zeitfenster berücksichtigt. Alle große Deepsea-Terminals machen mit oder schließen sich in Kürze an. Letzteres gilt ebenfalls für eine große Zahl an Leerdepots. Ungefähr 60 % der gesamten Binnenschifffahrtmenge wird bereits über Nextlogic geplant.
Kollektive Implementierung
BCTN arbeitet mit Nextlogic an einer besseren Planung von Hafenanläufen mit kleineren Containermengen, was in Kombination mit Vereinbarungen über feste Zeitfenster zu einer integrierten Planung der Container-Binnenschifffahrt im Hafen führen soll. Mijland sieht jedoch auch noch Verbesserungsmöglichkeiten: „Derzeit ist es häufig noch schwierig, einen Platz im integralen Planungsschema für den Hafen zu finden. Wenn wir über Nextlogic einen Hafenanlauf beantragen, erhalten wir ein Feedback, das nicht immer zur Beantragung von Zeitfenstern für unsere Schiffe passt. Ein rechtzeitiges Feedback ohne Änderungen in letzter Minute ist für uns wichtig, damit wir die Schiffe optimal einsetzen können."
Laut Van den Heuvel könnte es praktisch sein, wenn alle Kettenakteure mit Nextlogic zusammenarbeiten. „Aber so weit sind wir noch nicht. Denn es gibt auch viele unterschiedliche Nutzer-Typen. Es ist manchmal nicht so einfach, sie zusammenzubringen. Außerdem kann es ziemlich enervierend sein, die eigene Planung an ein Computersystem „abzugeben", denn für einen Hinterland-Unternehmer ist das ein Teil seines wichtigsten Arbeitsprozesses. Den auf Kosten und Nutzen basierenden Geschäftsplan muss jeder einzelne für sich selbst erstellen, auch weil für die Nutzung eine Gebühr erhoben wird. Und trotz allem müssen wir dies in der Lieferkette gemeinsam anpacken und bereit sein, Informationen offen miteinander zu teilen. Eine stärkere gegenseitige Abstimmung über die verfügbaren Kapazitäten schafft gegenseitige Verpflichtungen, führt zu mehr Flexibilität und höherer Zuverlässigkeit."
Lieferkettentransparenz
Auch Haeger & Schmidt Logistics arbeiten an der auf Daten basierenden Lieferkettentransparenz mit. Brückner: „In globalen Lieferketten müssen alle Glieder perfekt zusammenarbeiten, so dass dadurch Lieferkettentransparenz entsteht. Wir versuchen, unseren Kunden den größtmöglichen Einblick zu bieten. Die Kettenakteure jedoch sind noch nicht ausreichend transparent. Wir müssen uns zum Beispiel noch weitergehend mit dem Datenschutz beschäftigen. Ich persönlich finde es logisch, dass beim Transport eines Containers von Shanghai nach Andernach alle Daten ausgetauscht werden können, damit die Kunden ihre Container wie ein Paket verfolgen können. Das gelingt uns leider in der Containerlieferkette noch nicht.“
Das geht unter anderem aus der Tatsache hervor, dass die tatsächlichen ETAs, also die erwarteten Ankunftszeiten der Seeschiffe, oft erst spät bekannt sind. Für Mijland ist dies ein verbesserungswürdiger Aspekt: „Damit wir unsere Kunden richtig informieren und unsere Schiffe optimal einsetzen können, brauchen wir diese Informationen rechtzeitig. Wenn sich die ETA verschiebt, verschieben sich auch die Ladungsöffnungs- und Ladungsschlusszeiten an den Deepsea-Terminals. Eigentlich ist es unmöglich, dass eine Verspätung bei der ETA eines Seeschiffs erst drei Tage zuvor bekannt ist. Das weiß man, wenn das Schiff Shanghai verlässt. Rechtzeitige Informationen sind entscheidend, will man verhindern, dass der Hafen SOWIE das Hinterland überlastet werden.
Zentraler Informationspunkt
Arwen Korteweg, Business Manager Containers beim Hafenbetrieb Rotterdam, hat Verständnis für die Frage nach mehr Transparenz in der Lieferkette. „Für mich ist die Binnenschifffahrt wie eine Ansammlung von LKW auf einem Schiff. Die Container-Binnenschifffahrt ist ein effizientes und nachhaltiges Transportsystem, bei dem Dutzende bis Hunderte einzelner Container von Verladern auf einem einzigen Schiff gebündelt und zu den Häfen hin und von diesen weg transportiert werden. Die meisten Verlader transportieren 10-50 Container pro Woche. Mit diesen individuellen Containern sind individuelle Vereinbarungen verbunden. Binnenterminals und Frachtkahn-Betreiber sammeln nicht nur Container, sondern auch die dazugehörigen Informationen aller Lieferkettenakteure. Sie müssen von ihnen optimal eingesetzt werden können, damit jeder ein zuverlässiger Transportpartner sein kann. Aus diesem Grund ist es wichtig, mit einer einzigen zentralen Plattform zu arbeiten, auf der man zum richtigen Zeitpunkt die richtigen Informationen finden kann. So können die digitalen Informationen und die physischen Containerströme perfekt miteinander verbunden werden. Auch wenn wir noch nicht am Ziel sind, so haben wir doch die ersten Schritte in die richtige Richtung gemacht.“
Nachhaltiger Transport
Eine effiziente Kette sorgt für eine gute Port Performance UND für Nachhaltigkeit. Die Binnenschifffahrt ist seit jeher der kohlenstoffärmste Verkehrsträger und hat in den letzten Jahren Schritte unternommen, um noch umweltverträglicher zu werden. Arwen Korteweg ermutigt den Sektor, diesen Weg weiterzuverfolgen. „Wäre es nicht toll, wenn all diese Korridore mit Güterverkehr zu und von den Häfen auch zu grünen Korridoren würden? Verschiedene Akteure im Bereich Binnenschifffahrt sind bereits mit der Ökologisierung ihrer Flotte zugange. Wir hoffen, dass der Sektor auch auf diesem Gebiet seine Kräfte bündelt, so dass jeder Kettenteilnehmer die Chance erhält, mitzumachen."
„Es ist egal, ob elektrisch mit ZES (Zero Emission Services) gefahren wird oder mit Wasserstoff: Auch die Binnenschifffahrt wird in Zukunft emissionsfrei unterwegs sein. Binnenschifffahrtsunternehmen haben in den vergangenen Jahren bewiesen, dass sie im Korridor-Bereich hervorragend zusammenarbeiten können. Und das gilt nicht nur untereinander, sondern auch mit Unternehmen im Seehafen. Die Zusammenarbeit zwischen Binnenland- und Deepsea-Akteuren ist wirklich etwas Neues und die Grundlage für einen besseren Kundenservice. Wenn wir das auch auf die Umweltleistungen im Transportwesen ausdehnen können, zum Beispiel in Zusammenarbeit mit den Verladern, sind wir einen großen Schritt weiter."
Denn die Binnenschifffahrt bleibt ein unglaublich wichtiger Verkehrsträger für Rotterdam, die Niederlande und Deutschland. Sie ist sauber, zuverlässig und verfügt noch über viel Kapazität. Mijland: „Abgesehen von den Verbesserungspunkten wollen wir auch vor allem die Chancen nennen und die Binnenschifffahrt nach wie vor fördern. Wir können noch viel mehr über das Wasser transportieren.“ Brückner: Dazu brauchen wir auch ganz gewiss die Politik.“ Wasserstoffanlagen in Seehäfen sind zum Beispiel sinnlos, wenn im Hinterland dafür keine Infrastruktur vorhanden ist. Auch diese Botschaft müssen wir immer wieder in den Vordergrund rücken. Unter anderem wegen der Niedrigwasserproblematik ist das Bewusstsein für die Binnenschifffahrt in politischen Kreisen geschärft worden. Das ist eine Chance, die wir mit beiden Händen ergreifen sollten.“