„Wasserstoff: die Herausforderungen eines völlig neuen Systems“
Kolumne von: Allard Castelein, Generaldirektor des Hafenbetriebs Rotterdam
Wasserstoff ist ein Schlüsselelement unserer Strategie zur Verringerung der Treibhausgasemissionen und zur Verbesserung der Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft in der Industrie. Die Umwandlung eines Hafens wie des unseren in einen kohlenstoffneutralen Hafen ist eine ebenso anspruchsvolle wie inspirierende Aufgabe. Schauen wir uns einige der Herausforderungen an.
Grüner oder blauer Wasserstoff
Vor einigen Jahren ging ich davon aus, dass blauer Wasserstoff der erste Schritt hin zu einer Wasserstoffwirtschaft sein würde. Und ich bin noch immer von der Notwendigkeit blauen Wasserstoffs überzeugt, wenn wir unsere Klimaziele erreichen möchten. Seitdem nehme ich jedoch eine positive Haltung grünem Wasserstoff gegenüber wahr. Innerhalb der Gesellschaft scheint sich Begeisterung über grünen Wasserstoff breitzumachen. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die Industrie und die Regierungen sind sich jedoch bewusst, dass es Zeit braucht, um die benötigten Mengen an grünem Wasserstoff zu produzieren. Die Insider – wie ich die Kennerinnen und Kenner unseres Energiesystems gerne nenne – halten CCS also für unverzichtbar, um die Ziele für 2030 zu erreichen. Und es muss begonnen werden, eine Industrie zu ökologisieren, die effiziente Elektrolyseure in großem Maßstab herstellen kann. Ich bin daher überzeugt davon, dass wir sowohl grüne als auch blaue Wasserstoffprojekte brauchen, um die Klimaziele zu erreichen: Blauer Wasserstoff hilft uns dabei, die Ambitionen für 2030 zu erfüllen, und mithilfe von grünem Wasserstoff können wir die Ziele für 2040 und 2050 erreichen.
Zertifizierung von Wasserstoff
Ein wichtiger Baustein dabei ist die Zertifizierung von Wasserstoff. Sowohl grüner als auch blauer Wasserstoff werden teurer sein als grauer Wasserstoff oder Erdgas. Sie werden daher nur an einen Markt verkauft werden, in dem man bereit ist, einen Aufpreis für den geringeren CO2-Fußabdruck zu zahlen. Hierfür ist ein international anerkanntes Zertifizierungssystem unerlässlich. Die Schaffung und Umsetzung eines Systems, das für alle Beteiligten akzeptabel ist, ist herausfordernd und zeitintensiv. Da die Ausarbeitung neuer Vorschriften viel Zeit in Anspruch nimmt, müssen wir unser Tempo beschleunigen. Dabei benötigt die Industrie Unterstützung von den Behörden.
Wasserstoffprojekte in Rotterdam
Ich bin überzeugt, dass Rotterdam genau der richtige Ort für grünen und blauen Wasserstoff, Wasserstoffimporte und die strategische Speicherung ist. Als Hafen sind wir bereit, u. a. in die Infrastruktur und Anlagen zu investieren. Eine Reihe laufender Projekte decken die gesamte Wertschöpfungskette ab und beinhalten sogar den Aufbau eines Marktplatzes für Wasserstoff.
- Gemeinsam mit den niederländischen Behörden arbeiten wir daran, bis zum Jahr 2030 insgesamt 7,4 GW an Windkraftanlagen in der Nordsee zu errichten, die an den Hafen angeschlossen sind.
- Derzeit werden fünf Elektrolyseur-Projekte von verschiedenen Unternehmen entwickelt, die dazu führen, dass eine Elektrolyseur-Kapazität in Höhe von 500 MW bereits einige Jahre vor 2030 zur Verfügung stehen wird.
- Wir arbeiten an einer Pipeline innerhalb des Hafengebiets, die Produzenten, Importanlagen und Endverbraucherinnen und -verbraucher miteinander verbindet.
- Wir prüfen eine direkte Pipelineverbindung zwischen Rotterdam und Nordrhein-Westfalen, um die wichtigste Industrieregion Deutschlands mit Wasserstoff zu versorgen.
- Und zu guter Letzt sind wir aktiv an der Errichtung von Handelswegen für den Import von Wasserstoff aus der ganzen Welt nach Rotterdam beteiligt.
Ich gehe davon aus, dass die ersten FID in diesem Frühjahr abgeschlossen werden. Des Weiteren rechne ich für das Jahr 2024 damit, dass hier – im europäischen Wasserstoffzentrum – sowohl eine umfangreiche lokale Produktion von grünem Wasserstoff als auch Importe anlaufen werden.
World Hydrogen Summit
Die Schaffung eines neuen Systems stellt uns vor Herausforderungen. Aber gemeinsam können wir es schaffen, dieses neue nachhaltige und rentable System zu errichten. Der World Hydrogen Summit (eine internationale Konferenz über Wasserstoff), den wir gemeinsam mit dem Sustainable Energy Council (Rat für nachhaltige Energie), der Provinz Süd-Holland und der Stadt Rotterdam organisieren, ist ein großartiger Treffpunkt für alle, die sich in diesem Teil der Welt mit Wasserstoffprojekten und -politik befassen. Ich hoffe und erwarte, dass wir unseren Projekten durch die Ausrichtung dieser jährlichen Konferenz hier in Rotterdam einen zusätzlichen Impuls geben können.