Resiliente Lieferkette für den Chemiesektor entscheidend

27 Februar 2025
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Lesedauer: 8 Minuten

Partner der Lieferkette setzen auf Daten, Nachhaltigkeit und Zusammenarbeit

Der Rotterdamer Hafen ist das pulsierende Herz der europäischen Wirtschaft. Darüber hinaus ist Rotterdam als bedeutender Container-Hub und Petrochemie-Cluster ein zuverlässiges, starkes Glied in der globalen Lieferkette für chemische Güter, mit Verbindungen über Schiene, Straße und Pipeline zum großen Cluster im Hafen und zu wichtigen Chemieregionen im Hinterland. Um sicherzustellen, dass auch in Zukunft verlässliche, effiziente und nachhaltige Transportwege über Rotterdam führen, legen wir unseren Fokus auf resiliente Lieferketten. Die Schlüsselbegriffe sind Digitalisierung, Nachhaltigkeit und Zusammenarbeit.

Geopolitische Unruhen, wirtschaftliche Entwicklungen, Störungen und der Klimawandel können Lieferketten stark beeinträchtigen; auch im Chemiesektor. Die Port of Rotterdam Authority setzt sich daher gemeinsam mit ihren Partnern in diesem Sektor ganz für die Resilienz ein. Broekman Logistics, Neele-Vat und Royal Den Hartogh Logistics sind drei dieser Partner. Für die Dienstleister sind Sicherheit, Nachhaltigkeit und Innovation entscheidend. Die enge Zusammenarbeit mit Kunden, Lieferanten und untereinander ermöglicht es ihnen, intelligente Logistiklösungen zu entwickeln, die zu einer effizienten, transparenten und widerstandsfähigen Lieferkette beitragen.

Verschiebungen auf dem Markt

„Wir beobachten in diesem Markt erhebliche Verschiebungen, mit steigenden und sich verändernden Anforderungen, zunehmenden Lagerbeständen und steigenden Rohstoffpreisen. Für die Chemieindustrie sind die aktuellen Marktentwicklungen eine Herausforderung“, erklärt Ron Kuijpers, Vice President Business Development bei Broekman Logistics.

„Importzölle und geopolitische Konflikte, aber auch die Kosten auf dem Kontinent verändern den Chemiesektor“, stellt auch Joost Mooijweer fest, der bei Neele-Vat für die Geschäftsentwicklung zuständig ist. „Vor zehn Jahren war der durchschnittliche Kunde ein europäischer Hersteller, der aus China bezog, jetzt sind es zunehmend chinesische Hersteller, die in Europa verkaufen.“

Immer mehr Chemieunternehmen reorganisieren auch ihre innereuropäischen Lieferketten, meist als Reaktion auf die sinkenden Nachfrageerwartungen in Europa oder auf den Abbau von Produktionsmengen und -kapazitäten, so Jacco van Holten, Director Commerce bei Royal Den Hartogh Logistics: „Dabei ist zu beobachten, dass die Logistikströme aus dem Rotterdamer Chemiecluster und Rotterdam als Importhafen ins „weit entfernte“ Hinterland, wie Polen und Ungarn, zunehmen.“

Resilienz ist weit mehr als ein Schlagwort

„Angesichts der hohen Sicherheitsanforderungen in der Chemiebranche, aber auch wegen der hohen Kosten im Falle von Produktionsausfällen, ist eine stabile und vorhersehbare Lieferkette sehr wichtig“, erläutert Mooijweer. Nach der Coronazeit, in der es zu erheblichen Störungen kam, hat nun eine Phase erhöhter Volatilität und Unsicherheit in der Chemiebranche begonnen. „Gleichzeitig wurde aktiv an Lieferketten gearbeitet, die resilienter sind, um neuen Störfaktoren vorzubeugen und eine effiziente und nachhaltige Logistik zu gewährleisten. Flexible und skalierbare Logistikdienstleistungen sind dabei ein Muss“, so Van Holten.

„Für uns bedeutet das, dass wir mehrere Szenarien sorgfältig durchdenken und immer einen Plan B und einen Plan C haben müssen. Dazu müssen wir unsere Mitarbeitenden schulen, unser Netzwerk aufbauen und den Markt gut kennen", so Mooijweer weiter.

Van Holten fügt hinzu: „Resilienz ist für uns mehr als nur ein Schlagwort. Sie ist zentraler Bestandteil unserer Mission. Wir versuchen kontinuierlich, uns anzupassen: an die sich ändernden Kundenbedürfnisse, an neue Rechtsvorschriften und an unsere Netzwerke.“

‚Kapazitätenmangel‘

Laut Kuijpers ist die größte Herausforderung innerhalb der Chemiebranche die verfügbare Lagerkapazität. Oder besser gesagt, das Fehlen einer solchen: „Die Gesetze und Vorschriften werden jedes Jahr verschärft. An sich ist das eine gute Entwicklung. Aufgrund strengerer Vorschriften sehen wir jedoch, dass kleinere Anbieter aus dem Markt aussteigen und keine Speziallager für Gefahrgut und Chemikalien mehr anbieten. Das Angebot wird knapper, zumal die Nachfrage steigt.“

Unter anderem mit dem EDC auf der Maasvlakte verfügt der Dienstleister selbst über ein Lager, das nach Ansicht von Kuijpers den Standard für Genauigkeit, Sicherheit und Effizienz in der Chemielogistik setzt. An einem strategischen Seeverkehrsknotenpunkt: „Rotterdam verfügt über das dichteste Tiefsee- und Kurzstreckenseeverkehrsnetz aller europäischen Seehäfen. Bei den Dienstleistungen für Asien, dem wichtigsten Markt für in Containern transportierte Chemikalien, ist Rotterdam sogar führend. Und dank der multimodalen Verbindungen sind die wichtigsten Chemiecluster im europäischen Hinterland leicht und nachhaltig erreichbar.“

Qualifiziertes Personal, Wissen und Innovationen

Gutes, qualifiziertes Personal ist und bleibt jedoch die Grundlage, aber die Logistikbranche steht vor der immer größer werdenden Herausforderung, qualifiziertes Personal zu gewinnen und dauerhaft zu halten. Gleichzeitig werden die Prozesse immer komplexer, was eine höhere Qualifikation der Mitarbeitenden erfordert. Die Parteien engagieren sich daher stark für Ausbildungs- und Entwicklungsprogramme sowie für die Vermittlung von Wissen. „Chemiespezifisches Wissen ist der Schlüssel zur Gewährleistung der Qualität“, so Mooijweer.

Darüber hinaus wird weiterhin nach innovativen Lösungen gesucht, die effiziente Logistikprozesse sicherstellen. Broekman verwendet beispielsweise verschiedene Programme, darunter 3D-Animationen, um Engpässe in Prozessen zu ermitteln. „Innovation besteht auch in unkonventionellem Denken und intelligenten Lösungen, wie z. B. unsere On-Site-Logistik, bei der wir die Beladung von Tankwagen unserer Kunden und anderer Spediteure übernehmen. Dadurch verringern sich die Wartezeiten in der Lieferkette und die Abläufe werden sicherer, denn unsere Mitarbeitenden kennen die Umgebung und die Voraussetzungen sehr gut“, betont Van Holten.

Digitalisierung unverzichtbar

Daten und Datenanalytik nehmen eine besondere Rolle ein. „Manchmal habe ich das Gefühl, nicht in einem Transportunternehmen zu arbeiten, sondern in einem Datenzentrum“, scherzt Van Holten. „Wir wissen auf die Minute genau, wie lange ein Prozess dauert, oft sogar auf den Meter genau, wo sich die Fracht unserer Kunden innerhalb der Lieferkette befindet. Und Daten werden noch wichtiger werden. Der Datenbedarf wächst stetig und der Markt verlässt sich darauf, dass wir die richtigen Daten liefern.“ Dabei sind digitale Werkzeuge unverzichtbar. Van Holten: „Das zunehmende Potenzial der Digitalisierung trägt dazu bei, eine reibungslose und effiziente Lieferkette zu gewährleisten. Das verschafft unseren Kunden wertvolle Einblicke und Vorhersehbarkeit, gibt unseren Mitarbeitenden mehr Kontrolle und sorgt für weniger Überraschungen bei der Arbeit.“

„Mit Hilfe eines Business Intelligence-Tools analysieren wir Daten aus unseren Lager- und Transportmanagementsystemen und besprechen wir mit unseren Kunden, wie wir gemeinsam besser mit Sicherheitsbeständen umgehen, Rücksendungen aus unserem Lager auf der Maasvlakte optimieren oder die Anzahl der SKUs durch wertschöpfende Aktivitäten reduzieren können“, erklärt Kuijpers.

Auch Neele-Vat übermittelt Daten an die Kunden, zum Beispiel bei Gasmessungen. „Die Kunden können dann ihre Verpackungen auf der Grundlage unserer Daten anpassen“, sagt Mooijweer. „Der Markt erwartet, dass noch mehr Daten und Wissen ausgetauscht werden. Wenn wir die Lieferkette resilient halten wollen, müssen wir den Dialog mit unseren Kunden suchen und relevante Daten transparent teilen.“

Nachhaltigkeit setzt sich durch

Darüber hinaus stellen die Dienstleister fest, dass sich die Nachhaltigkeit in der Branche durchsetzt. Die Kunden produzieren nachhaltiger und verlangen von ihren Partnern in der Lieferkette das gleiche Engagement. „Es gibt einen wachsenden Bedarf an nachhaltigem Transport“, stellt Van Holten fest. „Die Geschwindigkeit, mit der Schritte in Richtung einer nachhaltigen Logistik unternommen werden, ist jedoch je nach Chemiesektor und sogar je nach Kunde sehr unterschiedlich. Führende Unternehmen übernehmen eine Vorreiterrolle und investieren gemeinsam mit uns aktiv in nachhaltige Logistik.“

Auch hier ist es hilfreich, wenn die richtigen Daten erfasst und weitergegeben werden. Den Hartogh kann bereits vorab in seinen Angeboten und bei tatsächlich durchgeführten Transportaufträgen Emissionen benennen und teilt diese Informationen aktiv mit seinen Kunden. Der Dienstleister bietet zudem Optionen zur Emissionsreduzierung an. Dies hilft den Kunden bei der Erstellung von vorgeschriebenen Berichten, kann aber auch bei Ausschreibungen verwendet werden. Im Bereich des Flüssigkeitstransports ist Den Hartogh einer der ersten, der diese Möglichkeit anbietet. „Ein zusätzlicher Vorteil ist, dass die Kunden motiviert werden, sich uns anzuschließen, um die Branche nachhaltiger zu gestalten“, erklärt Van Holten. „Wir können das nicht allein schaffen.“

Den Hartogh hat sich zum Ziel gesetzt, seine Dienstleistungen bis 2050 weltweit klimaneutral zu betreiben. Noch in diesem Jahr will das Unternehmen seine Kohlenstoffemissionen um 25 % senken. Lastkraftwagen werden zunehmend mit HVO-Biodiesel oder elektrisch betrieben und der intermodale Transport wird aktiv genutzt. „Die größte Herausforderung besteht darin, unsere gesamte Flotte von mehr als 800 Lkws umweltfreundlicher zu gestalten. Sie ist für den größten Teil der Emissionen innerhalb unserer europäischen Organisation verantwortlich“, weiß Van Holten.

Neele-Vat ist dabei, seine Lagereinrichtungen in hohem Tempo nachhaltiger zu gestalten. Die Flurförderzeuge sind bereits fast vollständig elektrisch. Und ein wachsender Anteil der Dächer der Lagerhäuser ist mit Solarmodulen ausgestattet. Die jüngste Anlage in Botlek verfügt über nicht weniger als 7.500 Solarmodule. Das Lagerhaus von Neele-Vat auf der Maasvlakte hat sogar über 8.000 Solarmodule.

Auch Broekman stellt Kräne und Terminal-Umschlaggeräte auf Elektrik um. Darüber hinaus arbeitet der Dienstleister an der Landstromversorgung, und bietet seit Jahren Bahn- und Binnenschiffslösungen von den Rotterdamer Terminals aus an. „Wenn möglich, beraten wir unsere Kunden auch bei der Wahl einer nachhaltigeren Hinterlandanbindung, indem wir einen Einblick in die Gesamtkosten, die Vorlaufzeit, die CO2-Emissionen und andere wichtige Daten für jede Modalität geben“, erklärt Kuijpers.

„Nachhaltigkeit ist für jeden Kunden ein wichtiger Bestandteil des Auswahlverfahrens“, so Mooijweer. „Allerdings ist noch nicht jeder bereit, dafür (mehr) zu bezahlen. Wir sind auf dem richtigen Weg, aber wir haben noch einen langen Weg vor uns.“ Darüber hinaus steht Nachhaltigkeit angesichts des derzeitigen wirtschaftlichen Drucks bei einigen Kunden weniger hoch im Kurs, so Van Holten: „Das hat eine verzögernde Wirkung auf das, was wir gemeinsam als Lieferkette erreichen können.“ Die europäische Gesetzgebung könnte unterstützen, zum Beispiel in Form von Verpflichtungen oder kostensteigernden Maßnahmen für den umweltschädlichen Transport.

Einzigartige Zusammenarbeit

Um ein Maximum an Flexibilität zu bieten und die Risiken so weit wie möglich zu streuen, arbeiten die Dienstleister eng zusammen. Manchmal sogar mit direkten Konkurrenten, sagt Mooijweer: „Es kann vorkommen, dass Broekman Güter für uns einlagert und wir den Transport oder die Gasmessung übernehmen. Einmal unterstützen sie uns, ein anderes Mal unterstützen wir sie. Das ist das Einzigartige an Rotterdam; Wir wissen, wie wir uns gegenseitig finden und stärken können. Und wir wissen, dass wir uns gegenseitig vertrauen können.“

„In dieser Hinsicht hat Rotterdam eindeutig die Nase vorn“, meint auch Van Holten: „Wo man anderswo den Partnern der Lieferkette gegenüber misstrauisch ist, ist hier die Bereitschaft, im Interesse der Lieferkette zu kooperieren, sehr viel größer.“ Eine Zusammenarbeit in großem Maßstab sei dringend erforderlich, sagt er: „Lieferketten werden immer länger. Es sind mehr Verbindungen erforderlich, um einen Gesamtauftrag auszuführen und die Versorgungssicherheit zu gewährleisten.“ Den Hartogh setzt u. a. auf die Vorratshaltung, bei der die Güter „vorausgeschickt“ und als Puffer in Depots oder Terminals gelagert werden, damit sie bei Bedarf schnell geliefert werden können.

Insbesondere in Zeiten zunehmender logistischer Herausforderungen aufgrund geopolitischer Entwicklungen, eines drohenden Handelskriegs oder – auf einer anderen Ebene – aufgrund der zahlreichen geplanten Wartungsarbeiten am europäischen Schienennetz – ist dies eine wirksame Antwort auf die wachsende Nachfrage nach widerstandsfähigen Lieferketten. Und ein neuer Trumpf in der bereits starken Hand des Rotterdamer Chemieclusters.